Karl Marx:
Die Deutsche Ideologie
Karl Marx

Der wahre Sozialismus

Dasselbe Verhältnis, das wir im ersten Bande (vgl. "Sankt Max", "Der politische Liberalismus") zwischen dem bisherigen deutschen Liberalismus und der französischen und englischen Bourgeoisie-Bewegung nachgewiesen haben, findet statt zwischen dem deutschen Sozialismus und der Proletariatsbewegung Frankreichs und Englands. Neben den deutschen Kommunisten hat sich eine Anzahl Schriftsteller aufgetan, die einige französische und englische kommunistische Ideen aufgenommen und mit ihren deutsch-philosophischen Voraussetzungen verquickt haben. Diese "Sozialisten" oder "wahren Sozialisten", wie sie sich nennen, sehen in der kommunistischen Literatur des Auslandes nicht den Ausdruck und das Produkt einer wirklichen Bewegung, sondern rein theoretische Schriften, die ganz, wie sie es sich von den deutschen philosophischen Systemen vorstellen, aus dem "reinen Gedanken" hervorgegangen sind. Sie denken nicht daran, daß diesen Schriften, selbst wenn sie Systeme predigen, die praktischen Bedürfnisse, die ganzen Lebensverhältnisse einer bestimmten Klasse bestimmter Länder zugrunde liegen. Sie nehmen die Illusion mancher dieser literarischen Parteirepräsentanten, als handle es sich bei ihnen um die "vernünftigste" Ordnung der Gesellschaft und nicht um die Bedürfnisse einer bestimmten Klasse und Epoche, auf Treu und Glauben an. Die deutsche Ideologie, in der diese "wahren Sozialisten" befangen sind, erlaubt ihnen nicht, das wirkliche Verhältnis zu betrachten. Ihre Tätigkeit gegenüber den "unwissenschaftlichen" Franzosen und Engländern besteht nun darin, vor allen Dingen die Oberflächlichkeit oder den "rohen" Empirismus dieser Ausländer gehörig der Verachtung des deutschen Publikums preiszugeben, der "deutschen Wissenschaft" einen Hymnus zu singen und ihr die Mission zu geben, die Wahrheit des Kommunismus und Sozialismus, den absoluten, den wahren Sozialismus erst an den Tag zu bringen. Sie geben sich auch sogleich an die Arbeit, um als Vertreter der "deutschen Wissenschaft" diese Mission zu erfüllen, obwohl in den meisten Fällen diese "deutsche Wissenschaft" ihnen fast ebenso fremd geblieben ist wie die Originalschriften der Franzosen und Engländer, die sie nur aus den Kompilationen von Stein und Oelckers etc. kennen. Und worin besteht diese "Wahrheit", die sie dem Sozialismus und Kommunismus geben? Sie suchen sich die ihnen teils wegen ihrer Unkenntnis schon des bloß literarischen Zusammenhangs, teils wegen ihrer erwähnten falschen Auffassung der sozialistischen und kommunistischen Literatur gänzlich unerklärlichen Ideen dieser Literatur mit Hülfe der deutschen, namentlich Hegelschen und Feuerbachschen Ideologie klarzumachen. Sie heben die kommunistischen Systeme, Kritiken und Streitschriften ab von der wirklichen Bewegung, deren bloßer Ausdruck sie sind, und bringen sie dann in einen willkürlichen Zusammenhang mit der deutschen Philosophie. Sie trennen das Bewußtsein bestimmter geschichtlich bedingter Lebenssphären von diesen Lebenssphären und messen es an dem wahren, absoluten, d.h. deutsch-philosophischen Bewußtsein. Sie verwandeln ganz konsequent die Verhältnisse dieser bestimmten Individuen in Verhältnisse "des Menschen", sie erklären sich die Gedanken dieser bestimmten Individuen über ihre eignen Verhältnisse dahin, daß sie Gedanken über "den Menschen" seien. Sie sind damit vom wirklichen geschichtlichen Boden auf den Boden der Ideologie zurückgekommen und können nun, da sie den wirklichen Zusammenhang nicht kennen, mit Hülfe der "absoluten" oder einer andern ideologischen Methode leicht einen phantastischen Zusammenhang konstruieren. Diese Übersetzung der französischen Ideen in die Sprache der deutschen Ideologen und dieser willkürlich fabrizierte Zusammenhang zwischen dem Kommunismus und der deutschen Ideologie bilden dann den sogenannten "wahren Sozialismus", der, wie die englische Konstitution von den Tories, für "den Stolz der Nation und den Neid aller Nachbarvölker" ausposaunt wird.

Dieser "wahre Sozialismus" ist also weiter nichts als die Verklärung des proletarischen Kommunismus und der ihm mehr oder minder verwandten Parteien und Sekten Frankreichs und Englands im Himmel des deutschen Geistes und, wie wir ebenfalls sehen werden, des deutschen Gemütes. Der wahre Sozialismus, der auf der "Wissenschaft" zu beruhen vorgibt, ist vor allen Dingen selbst wieder eine esoterische Wissenschaft; seine theoretische Literatur ist nur für Die, die in die Mysterien des "denkenden Geistes" eingeweiht sind. Er hat aber auch eine exoterische Literatur, er muß, schon weil er sich um gesellschaftliche, exoterische Verhältnisse kümmert, eine Art Propaganda machen. In dieser exoterischen Literatur appelliert er nicht mehr an den deutschen "denkenden Geist", sondern an das deutsche "Gemüt". Dies ist um so leichter, als der wahre Sozialismus, dem es nicht mehr um die wirklichen Menschen, sondern um "den Menschen" zu tun ist, alle revolutionäre Leidenschaft verloren hat und an ihrer Stelle allgemeine Menschenliebe proklamiert. Er wendet sich somit nicht an die Proletarier, sondern an die beiden zahlreichsten Menschenklassen Deutschlands, an die Kleinbürger und ihre philanthropischen Illusionen und an die Ideologen ebendieser Kleinbürger, die Philosophen und Philosophenschüler; er wendet sich überhaupt an das gegenwärtig in Deutschland herrschende "gemeine" und ungemeine Bewußtsein.

Es war nach den in Deutschland faktisch vorliegenden Verhältnissen notwendig, daß sich diese Zwischensekte bildete, daß eine Vermittlung des Kommunismus mit den herrschenden Vorstellungen versucht wurde. Es war ebenso notwendig, daß eine Menge deutscher Kommunisten, die von der Philosophie ausgingen, erst durch einen solchen Übergang zum Kommunismus kamen und noch kommen, während Andere, die den Schlingen der Ideologie sich nicht entwinden können, diesen wahren Sozialismus bis an ihr seliges Ende predigen werden. Wir können daher nicht wissen, ob diejenigen der "wahren Sozialisten", deren hier kritisierte Schriften vor einiger Zeit verfaßt wurden, diesen Standpunkt noch behaupten oder ob sie weitergegangen sind. Wir haben überhaupt gegen die Personen nichts, wir nehmen bloß die gedruckten Aktenstücke als Ausdruck einer für ein so versumpftes Land wie Deutschland unvermeidlichen Richtung.

Außerdem aber hat der wahre Sozialismus allerdings einer Masse jung-deutscher Belletristen, Wunderdoktoren und sonstiger Literaten ein Tür eröffnet zur Exploitation der sozialen Bewegung. Der Mangel wirklicher, leidenschaftlicher, praktischer Parteikämpfe in Deutschland machte auch die soziale Bewegung anfangs zu einer bloß literarischen. Der wahre Sozialismus ist die vollkommenste soziale Literaturbewegung, die ohne wirkliche Parteiinteressen entstand und nun, nachdem die kommunistische Partei sich formiert hat, trotz ihr fortbestehen will. Es versteht sich, daß seit dem Entstehen einer wirklichen kommunistischen Partei in Deutschland die wahren Sozialisten immer mehr auf Kleinbürger als Publikum und impotente und verlumpte Literaten als Repräsentanten dieses Publikums sich beschränken werden.

Die "Rheinischen Jahrbücher"

oder

Die Philosophie des wahren Sozialismus

Communismus, Socialismus, Humanismus"

Rhein[ische] Jahrb[ücher] 1. Bd., p.167ff.

Wir beginnen mit diesem Aufsatz, weil er den deutsch-nationalen Charakter des wahren Sozialismus mit vollständigem Bewußtsein und großem Selbstgefühl zur Schau trägt.

p. 168. "Es scheint, als ob die Franzosen ihre eignen Genies nicht verständen. Hier kommt ihnen die deutsche Wissenschaft zu Hülfe, die im Sozialismus, wenn bei der Vernunft eine Steigerung gilt, die vernünftigste Ordnung der Gesellschaft gibt." Hier gibt also "die deutsche Wissenschaft" eine, und zwar "die vernünftigste", "Ordnung der Gesellschaft" "im Sozialismus". Der Sozialismus wird ein bloßer Zweig der allmächtigen, allweisen, Alles umfassenden deutschen Wissenschaft, die sogar eine Gesellschaft stiftet. Der Sozialismus ist zwar ursprünglich französisch, aber die französischen Sozialisten waren "an sich" Deutsche, weshalb auch die wirklichen Franzosen sie "nicht verstanden". Daher kann unser Verfasser sagen: "Der Kommunismus ist französisch, der Sozialismus deutsch; ein Glück ist es für die Franzosen, daß sie einen so glücklichen gesellschaftlichen Instinkt haben, der ihnen einst die wissenschaftlichen Studien wird ersetzen helfen. Dieses Resultat lag in dem Entwicklungsgange beider Völker vorgezeichnet; die Franzosen kamen durch die Politik zum Kommunismus" (nun weiß man natürlich, wie das französische Volk zum Kommunismus kam), "die Deutschen durch die Metaphysik, die zuletzt in Anthropologie umschlug, zum Sozialismus" (nämlich zum "wahren Sozialismus"). "Beide lösen sich zuletzt in Humanismus auf." Nachdem man den Kommunismus und Sozialismus in zwei abstrakte Theorien, zwei Prinzipien verwandelt hat, ist natürlich nichts leichter, als eine beliebige Hegelsche Einheit dieser beiden Gegensätze unter einem beliebigen unbestimmten Namen zu phantasieren. Womit nicht nur ein durchdringender Blick in "den Entwicklungsgang beider Völker" geworfen, sondern auch die Erhabenheit des spekulierenden Individuums über Franzosen und Deutsche glänzend dargetan ist. Übrigens ist dieser Satz ziemlich wörtlich kopiert aus dem Püttmannschen "Bürgerbuch". p. 43 und anderwärts; wie denn auch die "wissenschaftlichen Studien" des Verfassers über den Soziaismus sich auf eine konstruierende Reproduktion der in diesem Buch, den "Einundzwanzig Bogen" und anderen Schriften aus der Entstehungsepoche des deutschen Kommunismus gegebenen Ideen beschränken.

Wir geben nun einige Proben von den in diesem Aufsatze erhobenen Einwendugen gegen den Kommunismus.

p. 168 "Der Kommunismus verbindet die Atome zu keinem organischen Ganzen." Die Verbindung von "Atomen" zu einem "organischen Ganzen" ist ebensowenig zu verlangen wie die Quadratur des Zirkels.

"Wie der Kommunismus faktisch in Frankreich, seinem Hauptsitz, vertreten wird, ist er der rohe Gegensatz gegen die egoistische Zerfallenheit des Krämerstaats, über diesen politischen Gegensatz kommt er nicht hinaus, gelangt zu keiner unbedingten, voraussetzungslosen Freiheit". (ibidem) Voilà das deutsch-ideologische Postulat der "unbedingten, voraussetzungslosen Freiheit", die nur die praktische Formel für das "unbedingte, voraussetzungslose Denken" ist. Der französische Kommunismus ist allerdings "roh", weil er der theoretische Ausdruck eines wirklichen Gegensatzes ist, über den er nach unserm Verfasser aber dadurch hinaus sein sollte, daß er diesen Gegensatz in der Einbildung als schon Überwunden unterstellt. Vergleiche übrigens "Bürgerbuch" u.a. p. 43.

"Innerhalb des Kommunismus kann die Tyrannei recht wohl fortbestehen, weil er nicht die Gattung fortbestehen läßt." p. 168

Arme Gattung! Bisher hat die "Gattung" gleichzeitig mit der "Tyrannei" bestanden; aber weil der Kommunismus die "Gattung" abschafft, deshalb kann er die Tyrannei fortbestehen lassen. Und wie fängt es nach unserm wahren Sozialisten der Kommunismus an, "die Gattung" abzuschaffen? Er "hat die Masse vor sich". (ibidem)

"Der Mensch wird im Kommunismus seines Wesens nicht bewußt ... seine Abhängigkeit wird durch den Kommunismus auf das letzte, brutalste Verhältnis gebracht, auf die Abhängigkeit von der rohen Materie - Trennung von Arbeit und Genuß. Der Mensch gelangt zu keiner freien sittlichen Tätigkeit".

Um die "wissenschaftlichen Studien" zu würdigen, welche unsrem wahren Sozialisten zu diesem Satz verholfen haben, vergleiche man folgenden Satz:

"Die französischen Sozialisten und Kommunisten ...haben das Wesen des Sozialismus theoretisch keineswegs erkannt ... selbst die radikalen" (französischen) "Kommunisten sind noch keineswegs über den Gegensatz von Arbeit und Genuß hinaus ... haben sich noch nicht zum Gedanken der freien Tätigkeit erhoben ... Der Unterschied zwischen dem Kommunismus und der Krämerwelt ist nur der, daß die vollständige Entäußerung des wirklichen menschlichen Eigentums im Kommunismus aller Zufälligkeit enthoben, d.h. idealisiert werden soll." "Bürgerbuch", p. 43.

Unser wahrer Sozialist wirft also hier den Franzosen vor, daß sie ein richtiges Bewußtsein ihrer faktischen gesellschaftlichen Zustände haben, während sie das Bewußtsein "des Menschen" über "sein Wesen" zutage fördern sollten. Alle Vorwürfe dieser wahren Sozialisten gegen die Franzosen laufen darauf hinaus, daß die Feuerbachsche Philosophie nicht die letzte Pointe ihrer gesamten Bewegung ist. Wovon der Verfasser ausgeht, ist der vorgefundene Satz von der Trennung von Arbeit und Genuß. Statt mit diesem Satze anzufangen, dreht er ideologisch die Sache um, fängt an mit dem fehlenden Bewußtsein des Menschen, schließt daraus auf die "Abhängigkeit von der rohen Materie" und läßt diese sich realisieren in der "Trennung von Arbeit und Genuß". Wir werden übrigens noch Exempel davon sehen, wohin unser wahrer Sozialist mit seiner Unabhängigkeit "von der rohen Materie" kommt. - Überhaupt sind diese Herren alle von merkwürdigem Zartgefühl. Alles, namentlich die Materie, schockiert sie, überall klagen sie über Roheit. Oben hatten wir schon den "rohen Gegensatz", jetzt das "brutalste Verhältnis" der "Abhängigkeit von der rohen Materie".

Der Deutsche öffnet den Mund weit:

Die Liebe sei nicht zu roh,

Sie schadet sonst der Gesundheit.

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<Abgewandeltes Zitat aus Heine, "Lyrisches Intermezzo, 50. Gedicht">

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Natürlich, die deutsche Philosophie in ihrer Verkleidung als Sozialismus geht zwar zum Schein auf die "rohe Wirklichkeit", ein, aber sie hält sich immer in anständiger Entfernung von ihr und ruft ihr mit hysterischer Gereiztheit zu: Noi me tangere! <Rühr mich nicht an!>

Nach diesen wissenschaftlichen Einwürfen gegen den französischen Kommunismus kommen wir auf einige historische Erörterungen, die von der "freien sittlichen Tätigkeit" und den "wissenschaftlichen Studien" unsres wahren Sozialisten wie auch von seiner Unabhängigkeit von der rohen Materie glänzendes Zeugnis ablegen.

p.170 kommt er zudem "Resultate", daß "der" (abermals) "rohe französische Kommunismus" der einzige ist, den es "gibt". Die Konstruktion dieser Wahrheit a priori wird mit großem "gesellschaftlichem Instinkt" durchgeführt und zeigt, daß "der Mensch seines Wesens sich bewußt" geworden ist. Man höre:

"Es gibt keinen andern, denn was Weitling gegeben hat, ist nur eine Verarbeitung fourieristischer und kommunistischer Ideen, wie er sie in Paris und Genf kennenlernte."

"Es gibt keinen" englischen Kommunismus, "denn was Weitling" usw. Thomas Morus, die Levellers, Owen, Thompson, Watts, Holyoake, Harney, Morgan, Southwell, Goodwyn Barmby, Greaves, Edmonds, Hobson, Spence werden sich sehr wundern, resp. im Grabe umdrehen, wenn ihnen zu Ohren kommt, wie sie keine Kommunisten sind, "denn" Weitling ging nach Paris und Genf.

Übrigens scheint der Weitlingsche Kommunismus doch auch ein andrer zu sein als der "rohe französische", vulgo Babouvismus, da er auch "fourieristische Ideen" enthält.

"Die Kommunisten waren besonders stark in der Aufstellung von Systemen oder gleich fertigen Gesellschaftsordnungen (Cabets Ikarien, 'La Félicité, Weitling). Alle Systeme aber sind dogmatisch-diktatorisch." p. 170

Mit seiner Meinungsabgabe über Systeme überhaupt hat der wahre Sozialismus sich natürlich der Mühe überhoben, die kommunistischen Systeme selbst kennenzulernen. Mit einem Schlage hat er nicht nur Ikarien, sondern auch alle philosophischen Systeme von Aristoteles bis Hegel, das système de la nature, das Linnésche und Jussieusche Pflanzensystem und sogar das Sonnensystem überwunden. Was übrigens die Systeme selbst angeht, so sind diese fast alle im Anfange der kommunistischen Bewegung aufgekommen und dienten damals der Propaganda als Volksromane, die dem noch unentwickelten Bewußtsein der sich eben in Bewegung setzenden Proletarier vollkommen entsprachen. Cabet selbst nennt seine "Icarie" einen roman philosophique <philosophschen Roman> und ist keineswegs aus seinem System, sondern aus seinen Streitschriften, überhaupt aus seiner ganzen Tätigkeit als Parteichef zu beurteilen. Einige dieser Romane, z.B. das Fouriersche System, sind mit wirklich poetischem Geiste, andere, wie das Owensche und Cabetsche, ohne alle Phantasie mit kaufmännischer Berechnung oder juristisch-schlauem Anschmiegen an die Anschauungen der zu bearbeitenden Klasse ausgeführt. Diese Systeme verlieren bei der Entwicklung der Partei alle Bedeutung und werden höchstens nominell als Stichwörter beibehalten. Wer glaubt in Frankreich an Ikarien, wer in England an die verschiedenen modifizierten Pläne Owens, die er selbst je nach veränderten Zeitumständen oder mit Rücksicht auf Propaganda unter bestimmten Klassen predigte? Wie wenig der wirkliche Inhalt dieser Systeme in ihrer systematischen Form liegt, beweisen am besten die orthodoxen Fourieristen der "Démocratie pacifique", die bei all ihrer Orthodoxie die geraden Antipoden Fouriers, doktrinäre Bourgeois sind. Der eigentliche Inhalt aller epochemachenden Systeme sind die Bedürfnisse der Zeit, in der sie entstanden. Jedem derselben liegt die ganze vorhergegangne Entwicklung einer Nation, die geschichtliche Gestaltung der Klassenverhältnisse mit ihren politischen, moralischen, philosophischen und andern Konsequenzen zugrunde. Dieser Basis und diesem Inhalt der kommunistischen Systeme gegenüber ist mit dem Satz, daß alle Systeme dogmatisch-diktatorisch sind, gar nichts ausgerichtet. Den Deutschen lagen keine ausgebildeten Klassenverhältnisse vor wie den Engländern und Franzosen. Die deutschen Kommunisten konnten daher die Basis ihres Systems nur aus den Verhältnissen des Standes nehmen, aus dem sie hervorgingen. Daß daher das einzige existierende deutsche kommunistische System eine Reproduktion der französischen Ideen innerhalb der durch die kleinen Handwerkerverhältnisse beschränkten Anschauungsweise war, ist ganz natürlich.

Die Tyrannei, die innerhalb des Kommunismus fortbesteht, zeigt "der Wahnsinn Cabets, welcher verlangt, daß alle Welt auf seinen 'Populaire' abonnieren soll". p.168. Wenn unser Freund Forderungen, die ein Parteichef, durch bestimmte Umstände und die Gefahr der Zersplitterung beschränkter Geldmittel gezwungen, an seine Partei stellt, zuerst verdreht und dann an dem "Wesen des Menschen" mißt, so, muß er allerdings zu dem Resultate kommen, daß dieser Parteichef und alle andern Parteileute "wahnsinnig", dagegen bloß unparteiische Gestalten, wie er und das "Wesen des Menschen", gesunden Verstandes seien. Er möge übrigens aus Cabets "Ma ligne droite" das wahre Sachverhältnis kennenlernen.

Schließlich faßt sich der ganze Gegensatz unsres Verfassers und überhaupt der deutschen wahren Sozialisten und Ideologen gegen die wirklichen Bewegungen andrer Nationen in einem klassischen Satze zusammen. Die Deutschen beurteilen Alles sub specie aeterni <vom Gesichtspunkt der Ewigkeit> (nach dem Wesen des Menschen), die Ausländer sehen alles praktisch, nach den wirklich vorliegenden Menschen und Verhältnissen. Die Ausländer denken und handeln für die Zeit, die Deutschen für die Ewigkeit. Dies gesteht unser wahrer Sozialist folgendermaßen ein: "Schon durch seinen Namen, den Gegensatz gegen die Konkurrenz, zeigt der Kommunismus seine Einseitigkeit; soll denn aber diese Befangenheit, die wohl jetzt als Parteiname ihre Geltung haben kann ewig währen?"

Nach dieser gründlichen Vernichtung des Kommunismus geht unser Verfasser auf seinen Gegensatz, den Sozialismus, über.

"Der Sozialismus gibt die anarchische Ordnung, die der menschlichen Gattung, wie dem Universum, wesentlich eigentümlich ist" (p. 170) und ebendeshalb für "die menschliche Gattung" bisher nicht existiert hat. Die freie Konkurrenz ist zu "roh", um unsrem wahren Sozialisten als "anarchische Ordnung" zu erscheinen.

"Voll Vertrauen auf den sittlichen Kern der Menschheit" dekretiert "der Sozialismus", daß "die Vereinigung der Geschlechter nur die höchste Steigerung der Liebe ist und sein sollte, denn nur das Natürliche ist wahr, und das Wahre ist sittlich." p. 171.

Der Grund, weshalb "die Vereinigung etc. etc. ist und sein sollte", paßt auf Alles. Z.B. "Voll Vertrauen auf den sittlichen Kern" des Affengeschlechts kann "der Sozialismus" ebenfalls dekretieren, daß die bei den Affen sich natürlich vorfindende Onanie "nur die höchste Steigerung der" Selbst-"Liebe ist und sein sollte; denn nur das Natürliche ist wahr, und das Wahre ist sittlich."

Woher der Sozialismus den Maßstab dessen nimmt, was "natürlich" ist, läßt sich schwer sagen.

"Tätigkeit und Genuß fallen in des Menschen Eigentümlichkeit zusammen. Durch diese warnen jene beiden bestimmt, nicht durch die außer uns stehenden Produkte."

"Da nun aber diese Produkte zur Tätigkeit, das ist zum wahren Lehen unumgänglich sind, dieselben aber durch die gemeinsame Tätigkeit der gesamten Menschheit sich von Letzterer gleichsam abgelöst haben, so sind oder sollen sie auch für Alle das gemeinsame Substrat weiterer Entwicklung sein (Gütergemeinschaft).

"Unsre heutige Gesellschaft ist freilich so verwildert, daß Einzelne in tierischem Heißhunger über die Produkte fremder Arbeit herfallen und dabei untätig ihr eignes Wesen verfaulen lassen (Rentiers); wovon wieder die notwendige Konsequenz ist, daß Andere, deren Eigentum (ihr eignes menschliches Wesen) nicht durch Untätigkeit, sondern durch aufreihende Anspannung verkümmert, zu maschinenmäßigem Produzieren getrieben werden (Proletarier) ... Beide Extreme unsrer Gesellschaft aber, Rentiers und Proletarier, stehen auf Einer Stufe der Bildung, Beide sind abhängig von den Dingen außer ihnen" oder "Neger", wie Sankt Max sagen würde, p.169, 170.

Diese obigen "Resultate" unsres "Mongolen" über "Unser Negertum" sind das Vollendetste, was der wahre Sozialismus bis jetzt "als zum wahren Leben unumgängliches Produkt gleichsam von sich abgelöst hat" und wovon er nach "des Menschen Eigentümlichkeit" glaubt, daß "die gesamte Menschheit" darüber "in tierischem Heißhunger herfallen" müsse.

"Rentiers , "Proletarier", "maschinenmäßig", "Gütergemeinschaft" - diese vier Vorstellungen sind jedenfalls für unsren Mongolen "außer ihm stehende Produkte", in Beziehung auf welche seine "Tätigkeit" und sein "Genuß" darin besteht, sie als die bloß antizipierten Namen für die Resultate seines eignen "maschinenmäßigen Produzierens" darzustellen.

Wir erfahren, daß die Gesellschaft verwildert ist und daß deshalb die Individuen, die ebendiese Gesellschaft bilden, an allerhand Gebrechen leiden. Die Gesellschaft wird getrennt von diesen Individuen, verselbständigt, sie verwildert auf eigne Faust, und erst in Folge dieser Verwilderung leiden die Individuen. Die erste Folge dieser Verwilderung sind die Bestimmungen Raubtier, untätig und Inhaber eines "verfaulenden eignen Wesens", worauf wir zu unsrem Schrecken erfahren, daß diese Bestimmungen "der Rentier" sind. Dabei ist nur zu bemerken, daß dies "Verfaulenlassen des eignen Wesens" weiter nichts ist als eine philosophisch mystifizierte Manier, sich über die "Untätigkeit" klarzuwerden, von deren praktischer Beschaffenheit wenig zu wissen scheint.

Die zweite "notwendige Konsequenz" dieser ersten Folge der Verwilderung sind die beiden Bestimmungen: "Verkümmern des eignen menschlichen Wesens durch aufreibende Anspannung" und "Getriebenwerden zu maschinenmäßigem Produzieren". Diese beiden Bestimmungen sind die notwendige "Konsequenz davon, daß die Rentiers ihr eignes Wesen verfaulen lassen", und heißen in der profanen Sprache, wie wir wiederum mit Schrecken erfahren, "der Proletarier".

Der Kausalnexus des Satzes ist also folgender: Daß Proletarier existieren und maschinenmäßig arbeiten, findet sich als Tatsache vor. Warum müssen die Proletarier "maschinenmäßig produzieren"? Weil die Rentiers "ihr eignes Wesen verfaulen lassen". Warum lassen die Rentiers ihr eignes Wesen verfaulen? Weil "unsre heutige Gesellschaft so verwildert ist". Warum ist sie so verwildert? Das frage deinen Schöpfer.

Charakteristisch ist für unsren wahren Sozialisten, daß er in dem Gegensatz von Rentiers und Proletariern "die Extreme unsrer Gesellschaft" sieht. Dieser Gegensatz, der so ziemlich auf allen einigermaßen entwickelten Gesellschaftsstufen existiert hat und seit undenklicher Zeit von allen Moralisten breitgeschlagen ist, wurde namentlich ganz im Anfange der proletarischen Bewegung wieder hervorgesucht, zu einer Zeit, wo das Proletariat mit der industriellen und kleinen Bourgeoisie noch gemeinsame Interessen hatte. Vergleiche z.B. Cobbetts und P.L. Couriers Schriften oder Saint-Simon, der im Anfange die industriellen Kapitalisten noch zu den travailleurs <Arbeitern> rechnete, im Gegensatz zu den oisifs <Müßiggängern>, den Rentiers. Diesen trivialen Gegensatz auszusprechen, und zwar nicht in der gewöhnlichen, sondern in der heiligen philosophischen Sprache, für diese kindliche Einsicht nicht den passenden, sondern einen verhimmelten, abstrakten Ausdruck zu geben, darauf reduziert sich die Gründlichkeit der im wahren Sozialismus vollendeten deutschen Wissenschaft hier wie in allen andern Fällen. Dieser Gründlichkeit setzt dann auch der Schluß die Krone auf. Hier verwandelt unser wahrer Sozialist die ganz verschiedenen Bildungsstufen der Proletarier und Rentiers in "eine Stufe der Bildung", weil er von ihren wirklichen Bildungsstufen Umgang nehmen und sie unter die philosophische Phrase "Abhängigkeit von den Dingen außer ihnen" subsumieren kann. Hier hat der wahre Sozialismus die Bildungsstufe gefunden, auf der die Verschiedenheit aller Bildungsstufen in den drei Naturreichen, der Geologie und Geschichte sich vollständig in nichts auflöst.

Trotz seines Hasses gegen die "Abhängigkeit von den Dingen außer ihm" gesteht der wahre Sozialist doch ein, daß er von ihnen abhängig ist, "da die Produkte", d.h. eben diese Dinge, "zur Tätigkeit" und "zum wahren Leben unumgänglich sind". Dies verschämte Geständnis wird gemacht, um einer philosophischen Konstruktion der Gütergemeinschaft Bahn zu brechen, einer Konstruktion, die in so baren Unsinn verläuft, daß sie bloß der Aufmerksamkeit des Lesers zu empfehlen ist. Wir kommen jetzt zu dem ersten der oben zitierten Sätze. Hier wird wieder die "Unabhängigkeit von den Dingen" für die Tätigkeit und den Genuß in Anspruch genommen. Tätigkeit und Genuß "werden bestimmt" durch "die Eigentümlichkeit des Menschen". Statt diese Eigentümlichkeit in der Tätigkeit und dem Genuß der ihn umgebenden Menschen nachzuweisen, wo er sehr bald gefunden haben würde, inwiefern hier die außer uns stehenden Produkte ebenfalls mitsprechen, läßt er Beide in "der Eigentümlichkeit des Menschen zusammenfallen". Statt die Eigentümlichkeit der Menschen in ihrer Tätigkeit und der dadurch bedingten Weise des Genusses sich zur Anschauung zu bringen, erklärt er Beide aus der "Eigentümlichkeit des Menschen", wo dann alle Diskussion abgeschnitten ist. Von der wirklichen Handlung des Individuums flüchtet er sich wieder in seine unbeschreibliche, unnahbare Eigentümlichkeit. Wir sehen hier übrigens, was die wahren Sozialisten unter der "freien Tätigkeit" verstehen. Unser Verfasser verrät uns unvorsichtigerweise, daß sie die Tätigkeit ist, die "nicht durch die Dinge außer uns bestimmt wird", d.h. der actus purus, die reine, absolute Tätigkeit, die nichts als Tätigkeit ist und in letzter Instanz wieder auf die Illusion vom "reinen Denken" hinausläuft. Diese reine Tätigkeit wird natürlich sehr verunreinigt, wenn sie ein materielles Substrat und ein materielles Resultat hat; der wahre Sozialist befaßt sich nur widerstrebend mit solcher unreinen Tätigkeit und verachtet ihr Produkt, das nicht mehr "Resultat", sondern "nur ein Abfall vom Menschen" genannt wird (p. 169). Das Subjekt, das dieser reinen Tätigkeit zugrunde liegt, kann daher auch kein wirklicher sinnlicher Mensch, sondern nur der denkende Geist sein. Die so verdeutschte "freie Tätigkeit" ist nur eine andere Formel für die obige "unbedingte, voraussetzungslose Freiheit". Wie sehr übrigens dies Gerede von der "freien Tätigkeit", das bei den wahren Sozialisten nur dazu dient, ihre Unkenntnis der wirklichen Produktion zu verhüllen, in letzter Instanz auf das "reine Denken" hinausläuft, beweist unser Verfasser schon dadurch, daß das Postulat der wahrhaften Erkenntnis sein letztes Wort ist.

"Diese Sonderung der beiden Hauptparteien der Zeit" (nämlich des französischen rohen Kommunismus und des deutschen Sozialismus) "hat sich durch die Entwicklung der letzten zwei Jahre ergeben, wie sie namentlich in Heß' 'Philosophie der That' - Herweghs ,Einundzwanzig Bogen' - begann. Es war somit an der Zeit, auch einmal die Schibboleths der gesellschaftlichen Parteien näher zu beleuchten." p. 173.

Wir haben hier also auf der einen Seite die wirklich existierende kommunistische Partei in Frankreich mit ihrer Literatur und auf der andern einige deutsche Halbgelehrte, die sich die Ideen dieser Literatur philosophisch zu verdeutlichen streben. Diese letzteren gelten ebensogut wie die ersteren für eine "Hauptpartei der Zeit", also für eine Partei, die nicht nur für ihren nächsten Gegensatz, die französischen Kommunisten, sondern auch für die englischen Chartisten und Kommunisten, die amerikanischen Nationalreformer und überhaupt alle andern Parteien "der Zeit" von unendlicher Wichtigkeit ist. Leider wissen alle diese Parteien nichts von der Existenz dieser "Hauptpartei". Es ist aber seit geraumer Zeit die Manier der deutschen Ideologen, daß jede ihrer literarischen Fraktionen, besonders die, die "am weitesten zu gehen" wähnt, sich nicht nur für "eine Hauptpartei", sondern geradezu für "die Hauptpartei der Zeit" erklärt. Wir haben so unter andern "die Hauptpartei" der kritischen Kritik, "die Hauptpartei" des mit sich einigen Egoismus und jetzt "die Hauptpartei" der wahren Sozialisten. Deutschland kann es auf diese Weise noch zu einem ganzen Schock von "Hauptparteien" bringen, deren Existenz bloß in Deutschland und auch hier nur unter dem kleinen Stande der Gelehrten, Halbgelehrten und Literaten bekannt ist, während sie alle wähnen, die Kurbel der Weltgeschichte zu drehen, wenn sie das lange Garn ihrer eignen Phantasien spinnen.

Diese "Hauptpartei der wahren Sozialisten hat sich "durch die Entwicklung der letzten zwei Jahre ergeben, wie sie namentlich in Heß' Philosophie begann". D.h., sie hat "sich ergeben", als die Verwicklung unsres Verfassers in den Sozialismus "begann", nämlich in den "zwei letzten Jahren", womit es für ihn "an der Zeit war", sich vermittelst einiger "Schibboleths" über das, was er für "gesellschaftliche Parteien" hält, "auch einmal näher" zu erleuchten.

Nachdem wir so mit dem Kommunismus und Sozialismus fertig geworden sind" führt uns unser Verfasser die höhere Einheit beider, den Humanismus, vor. Von diesem Augenblicke an betreten wir das Land "des Menschen", und von nun an trägt sich die ganze wahre Geschichte unsres wahren Sozialisten nur in Deutschland zu.

"In dem Humanismus nun lösen sich alle Namenstreitigkeiten auf; zu was Kommunisten, zu was Sozialisten? Wir sind Menschen" (p. 72) - tous frères, tous amis <alle Brüder, alle Freunde>,

Laßt uns nicht schwimmen gegen den Strom,

Ihr Brüder, es hilft uns wenig!

Laßt uns besteigen den Templower Berg

und rufen: Es lebe der König!

.

Zu was Menschen, zu was Bestien, zu was Pflanzen, zu was Steine? Wir sind Körper!

Folgt eine historische Auseinandersetzung, die auf der deutschen Wissenschaft basiert und die den Franzosen ihr "gesellschaftlicher Instinkt einst ersetzen helfen wird". Antike Zeit - Naivetät, Mittelalter - Romantik, neue Zeit - Humanismus. Durch diese drei Trivialitäten ist natürlich der Humanismus unsres Verfassers historisch konstruiert und als die Wahrheit der Humaniora von ehedem erwiesen. Über dergleichen Konstruktionen vergleiche man "Sankt Max" im ersten Bande, der diesen Artikel viel kunstgerechter und weniger dilettantisch fabriziert.

p. 172 wird uns berichtet, daß "die letzte Folge des Scholastizismus die Spaltung des Lebens ist, die Heß vernichtete". Die Theorie wird hier also als die Ursache der "Spaltung des Lebens" dargestellt. Man sieht nicht ein, weshalb diese wahren Sozialisten überhaupt von der Gesellschaft sprechen, wenn sie mit den Philosophen glauben, daß alle wirklichen Spaltungen durch Begriffsspaltungen hervorgerufen wurden. Sie können sich in diesem philosophischen Glauben an die weltschöpferische und weltzerstörende Macht der Begriffe dann auch einbilden, ein beliebiges Individuum habe durch irgendwelche "Vernichtung" von Begriffen "die Spaltung des Lebens vernichtet. Bei diesen wahren Sozialisten wird, wie bei allen deutschen Ideologen, die literarische Geschichte fortwährend mit der wirklichen Geschichte als gleich wirkend durcheinandergeworfen. Diese Manier ist allerdings sehr begreiflich bei den Deutschen, die die miserable Rolle, die sie in der wirklichen Geschichte gespielt haben und fortwährend spielen, dadurch verdecken, daß sie die Illusionen, an denen sie so besonders reich waren, auf gleiche Stufe mit der Wirklichkeit stellen.

Nun zu den "letzten zwei Jahren", in denen die deutsche Wissenschaft sämtliche Fragen gründlichst erledigt und den andern Nationen nichts mehr übrig läßt als die Ausführung ihrer Dekrete. "Das Werk der Anthropologie, die Wiedergewinnung seines" (Feuerbachs oder des Menschen?) "ihm entfremdeten Wesens durch den Menschen ward durch Feuerbach nur einseitig vollzogen, d.h. begonnen; er vernichtete die religiöse Illusion, die theoretische Abstraktion, den Gott-Menschen, während Heß die politische Illusion, die Abstraktion seines" (Hessens oder des Menschen?), "Vermögens, seiner Tätigkeit, d. i. das Vermögen zerstört. Nur durch die Arbeit des letzteren ward der Mensch von den letzten Mächten außer ihm befreit, zu sittlicher Tätigkeit befähigt - alle Uneigennützigkeit der früheren" (vorhessischen) "Zeit war nur eine scheinbare - und in seine Würde wieder eingesetzt: oder wo galt der Mensch früher" (vor Heß) "das, was er war? Wurde er nicht nach seinen Schätzen geschätzt? Sein Geld schaffte ihm seine Geltung." p. 171.

Charakteristisch ist für alle diese hohen Worte von Befreiung usw., daß immer nur "der Mensch" der Befreite etc. ist. Obgleich es nach den obigen Aussprüchen scheint, als habe nun das "Vermögen", "Geld" usw. aufgehört, so erfahren wir doch im folgenden Satz: "Nun erst, nach Zerstörung dieser Illusionen" (das Geld ist, sub specie aeterni <vom Gesichtspunkt der Ewigkeit> betrachtet, allerdings eine Illusion, l'or n'est qu'une chimère <das Gold ist nur ein Hirngespinst>), "kann an eine neue, menschliche Ordnung der Gesellschaft gedacht werden." (ibid.) Dies ist aber ganz überflüssig, denn "die Erkenntnis des Wesens des Menschen hat ein wahrhaft menschliches Leben zur natürlichen, notwendigen Folge". (p. 172.)

Durch die Metaphysik, durch die Politik pp. zum Kommunismus oder Sozialismus kommen - diese bei den wahren Sozialisten sehr beliebten Phrasen besagen weiter nichts, als daß dieser oder jener Schriftsteller die ihm von Außen zu gekommenen und aus ganz andern Verhältnissen entsprungenen kommunistischen Ideen sich in der Redeweise seines bisherigen Standpunkts angeeignet und ihnen den diesem Standpunkte entsprechenden Ausdruck gegeben hat. Ob einer oder der andre dieser Standpunkte bei einer ganzen Nation vorwiegt, ob ihre kommunistische Anschauungsweise politisch, metaphysisch oder sonst tingiert ist, hängt natürlich von der ganzen Entwicklung des Volkes ab. Unser Verfasser zieht aus der Tatsache, daß die Anschauungsweise der meisten französischen Kommunisten eine politische Färbung hat - einer Tatsache, der die andre gegenübersteht, daß sehr viele französische Sozialisten von der Politik gänzlich abstrahiert haben - den Schluß, daß die Franzosen "durch die Politik", durch ihre politische Entwicklung "zum Kommunismus gekommen seien". Dieser überhaupt in Deutschland sehr stark zirkulierende Satz beweist nicht, daß unser Verfasser von der Politik, namentlich der französischen politischen Entwicklung, oder vom Kommunismus irgend etwas weiß, sondern nur, daß er die Politik für eine selbständige Sphäre hält, die ihre eigne, selbständige Entwicklung hat, ein Glaube, den er mit allen Ideologen teilt.

Ein anderes Stichwort der wahren Sozialisten ist das "wahre Eigentum", das "wahre, persönliche Eigentum", "wirkliche", "gesellschaftliche", "lebendige", "natürliche" ppp. Eigentum, wogegen sie höchst charakteristisch das Privateigentum als "sogenanntes Eigentum" bezeichnen. Wir haben schon im ersten Bande darauf hingewiesen, daß dieser Sprachgebrauch ursprünglich von den Saint-Simonisten herrührt, bei denen er indes nie diese deutsche metaphysisch-mysteriöse Form erreichte und bei denen er im Anfange der sozialistischen Bewegung gegenüber dem bornierten Geschrei der Bourgeois einigermaßen berechtigt war. Das Ende, das die meisten Saint-Simonisten genommen haben, beweist übrigens, wie leicht dies "wahre Eigentum" sich in "gewöhnliches Privateigentum" wieder auflöst.

Wenn man sich den Gegensatz des Kommunismus zur Welt des Privateigentums in der rohsten Form vorstellt, d.h. in der abstraktesten Form, in der man alle wirklichen Bedingungen dieses Gegensatzes entfernt, so hat man den Gegensatz von Eigentum und Eigentumslosigkeit. Man kann dann die Aufhebung dieses Gegensatzes als Aufhebung der einen oder der andern Seite fassen, als Aufhebung des Eigentums, wobei die allgemeine Eigentumslosigkeit oder Lumperei herauskommt, oder als Aufhebung der Eigentumslosigkeit, die in der Herstellung des wahren Eigentums besteht. In der Wirklichkeit stehen auf der einen Seite die wirklichen Privateigentümer, auf der andern die eigentumslosen kommunistischen Proletarier. Dieser Gegensatz wird täglich schärfer und drängt auf eine Krise hin. Wenn also die theoretischen Vertreter der Proletarier irgend etwas durch ihre literarische Tätigkeit ausrichten wollen, so müssen sie vor Allem darauf dringen, daß alle Phrasen entfernt werden, die das Bewußtsein der Schärfe dieses Gegensatzes schwächen, alle Phrasen, die diesen Gegensatz vertuschen und wohl gar den Bourgeois Gelegenheit bieten, sich kraft ihrer philanthropischen Schwärmereien der Sicherheit halber den Kommunisten zu nähern. Alle diese schlechten Eigenschaften finden wir aber in den Stichwörtern der wahren Sozialisten, namentlich in dem "wahren Eigentum". Wir wissen sehr gut, daß die kommunistische Bewegung nicht durch ein paar deutsche Phrasenmacher verdorben werden kann. Aber es ist dennoch nötig, in einem Lande wie Deutschland, wo die philosophischen Phrasen seit Jahrhunderten eine gewisse Macht hatten und wo die Abwesenheit der scharfen Klassengegensätze andrer Nationen ohnehin dem kommunistischen Bewußtsein weniger Schärfe und Entschiedenheit gibt, allen Phrasen entgegenzutreten, die das Bewußtsein über den totalen Gegensatz des Kommunismus gegen die bestehende Weltordnung noch mehr abschwächen und verwässern könnten.

Diese Theorie vom wahren Eigentum faßt das bisherige wirkliche Privateigentum nur als Schein, dagegen die aus diesem wirklichen Eigentum abstrahierte Vorstellung als Wahrheit und Wirklichkeit dieses Scheins, ist also durch und durch ideologisch. Sie spricht nur klarer und bestimmter die Vorstellungen der Kleinbürger aus, deren wohltätige Bestrebungen und fromme Wünsche ebenfalls auf die Aufhebung der Eigentumslosigkeit hinauslaufen.

Wir haben in diesem Aufsatze wieder gesehen, welche borniert-nationale Anschauungsweise dem vorgeblichen Universalismus und Kosmopolitismus der Deutschen zugrunde liegt.

Franzosen und Russen gehört das Land,

Das Meer gehört den Briten,

Wir aber besitzen im Luftreich des Traums

Die Herrschaft unbestritten.

Hier üben wir die Hegemonie

Hier sind wir unzerstückelt;

Die andern Völker haben sich

Auf platter Erde entwickelt.

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<Aus Heines "Deutschland, ein Wintermärchen, Kaput VII.>

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Dieses Luftreich des Traums, das Reich des "Wesens des Menschen", halten die Deutschen den andern Völkern mit gewaltigem Selbstgefühl als die Vollendung und den Zweck der ganzen Weltgeschichte entgegen; auf jedem Felde betrachten sie ihre Träumereien als schließliches Endurteil über die Taten der andern Nationen, und weil sie überall nur das Zusehen und Nachsehen haben, glauben sie berufen zu sein, über alle Welt zu Gericht zu sitzen und die ganze Geschichte in Deutschland ihr letztes Absehen erreichen zu lassen. Daß dieser aufgeblasene und überschwengliche Nationalhochmut einer ganz kleinlichen, krämerhaften und handwerkermäßigen Praxis entspricht, haben wir bereits mehrere Male gesehen. Wenn die nationale Borniertheit überall widerlich ist, so wird sie namentlich in Deutschland ekelhaft, weil sie hier mit der Illusion, über die Nationalität und über alle wirklichen Interessen erhaben zu sein, denjenigen Nationalitäten entgegengehalten wird, die ihre nationale Borniertheit und ihr Beruhen auf wirklichen Interessen offen eingestehen. Übrigens findet sich unter allen Völkern das Beharren auf der Nationalität nur noch bei den Bourgeois und ihren Schriftstellern.